Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen

Urteil vom 12. September 1997

 

Az: 22 A 5779/96

 

 

 

 

 

Leitsatz:

 

1. Zum Erlass von Verwaltungsakten, mit denen eine von einem Anschlussnehmer vorgenommene Fehleinleitung in die von dem als Eigenbetrieb geführten städtischen Abwasserwerk betriebene Kanalisation untersagt wird, ist die Werkleitung des Eigenbetriebes als Behörde befugt.

 

2. Bei Drainagewasser handelt es sich nicht um Abwasser, das in den Schmutzwasserkanal eingeleitet werden darf.

 

3. Die Höhe der mit der verlangten Beseitigung der unzulässigen Einleitung für den Anschlussnehmer verbundenen Kosten steht dem Beseitigungsverlangen nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit entgegen, wenn dieser unzulässige Anschluss unter Umgehung des dafür vorgesehenen Kontrollverfahrens eigenmächtig erstellt worden ist.

 

4. Das öffentliche Interesse am Erhalt der Funktionsfähigkeit der Kläranlage schließt es aus, das Beseitigungsverlangen als schikanös zu bewerten, auch wenn die unzulässige Einleitung nicht allein, sondern erst zusammen mit anderen, gleichartigen Fehleinleitungen zu Störungen der Kläranlage führen kann.

 

 

 

Aus den Gründen:

 

I.

 

Der Kläger ist Eigentümer eines aufgrund einer am 29. Mai 1980 erfolgten Zustimmung der Baugenehmigungsbehörde zur Bauanzeige mit einem Wohnhaus sowie zugehöriger Garage bebauten Grundstücks. Die Entsorgung von Schmutz- und Niederschlagswasser erfolgt durch Ableitung in die jeweils hierfür vorgesehenen und in der an das Grundstück des Klägers angrenzenden Straße verlegten Abwasserleitungen der Stadt.

 

Nachdem im Mai und im Juli 1995 Untersuchungen der Hausanschlussleitung des Klägers durchgeführt worden waren, forderte der Beklagte den Kläger mit als "Ordnungsverfügung" bezeichnetem Bescheid auf, die im einzelnen wie folgt bezeichnete Mängel am Hauskontrollschacht/Schmutzwasserhausanschluss bis zum 6. November 1995 abzustellen:

 

Hauskontrollschacht: Kontrollschacht feucht durch nicht fachgerechten Rohranschluss der Einlaufseite Abdeckring defekt, Wandungsteil fehlt

 

Hausanschlussleitung: Abzweig im rechten Kämpfer bei 10,5 m ein Drainageanschluss.

 

Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die bei den Untersuchungen festgestellte Einleitung von Grundwasser aus den Drainageleitungen des Klägers in den Schmutzwasserkanal unzulässig sei, weil es sich hierbei nicht um Abwasser handele. Insofern komme allenfalls die Duldung einer Einleitung in den Regenwasserkanal in Betracht. Der unzulässige Anschluss führe zu erhöhtem Fremdwasseraufkommen im Schmutzwasserkanal; damit könne die Schmutzwasserfracht aufgrund von Verdünnung und Vermischung nicht so gering gehalten werden, wie dies von den anerkannten Regeln der Technik gefordert werde. Hinsichtlich der Durchführung einer Versorgungsleitung durch den Hauskontrollschacht kündigte der Beklagte nach fachtechnischer Überprüfung durch Mitarbeiter des Wasserwerks eine gesonderte Verfügung an.

 

Am … legte der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass bei Baubeginn vor 15 Jahren die Einleitung von Grundwasser nur in den Schmutzwasserkanal möglich gewesen sei, da der Kanal für Niederschlagswasser von der Stadt zu hoch verlegt worden sei.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 1995 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

 

Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos, die hiergegen gerichtete Berufung ebenso.

 

 

II.

 

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

 

Die Rechtsgrundlage für die gegen den Kläger in Form eines Verwaltungsaktes gerichtete Aufforderung, die weitere Einleitung von Grundwasser in die Schmutzwasserleitung zu unterlassen, ergibt sich unmittelbar aus dem zwischen ihm und der Gemeinde als Betreiberin der öffentlichen Abwasserentsorgung auf der Grundlage der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage - Entwässerungssatzung - der Stadt W. vom 20. Dezember 1975, zuletzt geändert durch Satzung vom 1. September 1982 (EWS a.F.), bestehenden Kanalbenutzungsverhältnis,

 

vgl. OVG, Urteile vom 28. November 1994 - 22 A 2466/93 - und 7. März 1994 - 22 A 753/92 -, NVwZ 1995, 244, sowie Beschluss vom 9. September 1993 - 22 B 1457/93 -, ZfW 1994, 423.

 

Danach obliegt es dem Beklagten als Werkleiter, u. a. die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anschlussnehmer zum Schutz der kommunalen Abwasseranlage vor ungenehmigten Einleitungen zu treffen. Hierbei handelt es sich um ein Geschäft der laufenden Betriebsführung, die nach § 3 Abs.2 Satz 2 der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb Abwasserwerk der Stadt W. vom 26. April 1995 nicht dem Stadtdirektor, sondern der Werkleitung obliegt.

 

Der Beklagte ist befugt, dem Kläger die weitere Einleitung von Grundwasser in den städtischen Schmutzwasserkanal über seine Hausanschlussleitung zu untersagen, weil es sich hierbei nicht um Abwasser im Sinne von § 1 Abs.1 EWS a.F. (vgl. jetzt § 2 Nrn. 1. - 3. der Entwässerungssatzung der Stadt … (EWS) handelt. Steht dem Kläger jedoch nach der Satzung ein Benutzungsrecht - und zwar weder für den Schmutzwasser- noch für den Regenwasserkanal - bzgl. der Ableitung von Grundwasser nicht zu, so liegt auf der Hand, dass ein solches Recht auch nicht daraus folgen kann, dass nach Auffassung des Klägers der Regenwasserkanal, in den der Beklagte die Einleitung zu dulden bereit ist, zu hoch liegt.

 

Der Bescheid genügt auch den gemäß § 37 Abs.1 VwVfG NW an einen Verwaltungsakt zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen. Ungeachtet des nicht völlig eindeutigen Tenors lässt sich jedenfalls im Zusammenhang mit der Begründung des Bescheides hieraus hinreichend deutlich entnehmen, dass der Beklagte den Kläger zur Verhinderung jeglichen weiteren Zuflusses von Grundwasser in den kommunalen Schmutzwasserkanal und damit zu einem Unterlassen verpflichten wollte, wobei er ihm hinsichtlich der Art und Weise der Erfüllung dieser Unterlassungspflicht freie Hand ließ.

 

Die dem Kläger in diesem Rahmen abverlangte Unterbindung des weiteren Zuflusses von Drainagewasser in den städtischen Schmutzwasserkanal verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es erscheint bereits als zweifelhaft, ob der Kläger - wie von ihm ohne nähere Begründung behauptet - der gegen ihn gerichteten Aufforderung tatsächlich nur nachkommen kann, indem er die Bodenplatte seines Wohnhauses durchbrechen lässt, um den unter dem Haus liegenden Drainageanschluss an die Schmutzwasserleitung zu beseitigen. Ebenso stellt es bisher eine unbelegte Behauptung des Klägers dar, dass die dann entstandene Bruchstelle anschließend nicht mehr hinreichend abgedichtet werden könnte. Ob dies zutrifft oder ob der Kläger den weiteren Zufluss von Grundwasser in die städtische Abwasserkanalisation nicht auch in anderer, weniger belastender Form verhindern kann, bedarf letztlich keiner abschließenden Entscheidung, weil auch die Notwendigkeit aufwendiger Maßnahmen zur Befolgung des gegen ihn gerichteten Unterlassungsgebots allein in seine Zurechnungssphäre fällt.

 

Entscheidend ist insofern, dass der Kläger bzw. seine damaligen Auftragnehmer den unzulässigen Anschluss unter Umgehung der für die Überprüfung des korrekten Anschlusses an die öffentliche Abwasseranlage in § 11 Abs. 4 EWS a.F. vorgesehenen Kontrollmechanismen hergestellt haben. Die hieraus resultierenden Risiken hat er deshalb selbst zu tragen. Eine Ausnahme käme allenfalls dann in Betracht, wenn das Beseitigungsverlangen als willkürlich bzw. schikanös erschiene. Hierfür fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt.

 

Es besteht vielmehr ein begründetes und schutzwürdiges Interesse des Beklagten an der Unterbindung der von dem Kläger vorgenommenen unzulässigen Grundwassereinleitung in die kommunale Abwasseranlage, schon deshalb, weil die Einleitung von in einer Drainage gesammeltem Grundwasser dazu führt, dass die kommunale Kläranlage über das erforderliche Maß hinaus mit nicht klärbedürftigem Wasser belastet wird.

 

Es fehlt auch jeder Anhaltspunkt dafür, dass die tatsächlichen Grundwassereinleitungen nur ein so verschwindend geringes Ausmaß haben, dass eine Beeinträchtigung der oben bezeichneten Interessen des Beklagten faktisch ausgeschlossen ist. Hiergegen spricht vielmehr, dass der Kläger selbst die Unzumutbarkeit der Durchbrechung der vorhandenen Bodenplatte mit der Unmöglichkeit einer anschließenden Abdichtung aufgrund des nach wie vor hohen Grundwasserdrucks begründet. Zudem ist zu berücksichtigen, dass - wie im vorliegenden Fall - bei einer Vielzahl von unzulässigen Anschlüssen auch die Summe von jeweils im Einzelfall geringen Einleitungen zu den oben beschriebenen Schwierigkeiten führen kann und in diesen Fällen schon aus Gründen der Gleichbehandlung gegen sämtliche unrechtmäßigen Einleiter vorgegangen werden muss.

 

Daher besteht - auch im Hinblick auf die hiervon ausgehende Präzedenzwirkung - ein berechtigtes Interesse des Beklagten an der Unterbindung von ungenehmigten Einleitungen in seine Schmutzwasserkanalisation. Vor diesem Hintergrund sind auch die von dem Kläger vorgetragenen Belastungen, selbst wenn sie das von ihm behauptete Ausmaß erreichen würden, nicht unzumutbar.