VGH Baden-Württemberg
Beschluss vom
29.10.2003
Az.:
2 S 1019/02
Abfallgebühren,
Kosten der Entsorgung „wilden Mülls“
Leitsatz 2:
Zu den in der
Gebührenkalkulation ansatzfähigen Kosten gehören auch solche, die der
öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für die Entsorgung sog. wilden Mülls im
Rahmen der ihm obliegenden Entsorgungspflicht aufzuwenden hat. Diese
Entsorgungspflicht ist nach § 21 LAbfG allerdings nur subsidiär.
Aus den Gründen:
Entgegen
der Ansicht der Antragsteller sind schließlich auch nicht Kosten bzw.
Aufwendungen bei der Gebührenkalkulation in Ansatz gebracht worden, die nach
den o.a. Vorgaben in § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG, § 8
Abs. 2 LAbfG nicht "gebührenfähig" sind.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so
bemessen sein, dass die nach betriebwirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen
Kosten der Einrichtung gedeckt werden. Ansatzfähig sind dabei solche Kosten,
die einrichtungsbezogen und einrichtungsbedingt anfallen (zum Ganzen der
NK-Beschluss des Senats vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - VBlBW
1996, 382). Ergänzend dazu bestimmt § 8 Abs. 2
Satz 1 LAbfG, dass sich die Erhebung von Benutzungsgebühren durch die
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach dem Kommunalabgabengesetz richtet
mit den sich aus Nr. 1 und Nr. 2 ergebenden Maßgaben. Die dort
genannten Aufwendungen sind nach dieser gesetzlichen Regelung wie Kosten dem
Grunde nach ansatzfähig und dürfen daher in die Gebührenkalkulation einfließen
(vgl. dazu u.a. NK-Beschlüsse des Senats vom 27.02.1996, ESVGH 46, 177 und vom
07.10.2002 - 2 S 2634/01 - ESVGH 53 (2003), 69).
Ausgehend hiervon sind die von den Antragstellern gerügten Kostenansätze für
den Beseitigungsaufwand für sog. wilden Müll, aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 d LAbfG sind Kosten auch solche der
Verwertung und Beseitigung der in unzulässiger Weise auf öffentlichen Flächen
oder außerhalb der im Zusammenhang bebauter Ortsteile abgelagerten Abfälle,
soweit die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zu deren Entsorgung
verpflichtet sind. Eine solche Verpflichtung besteht nach § 21
Abs. 2 LAbfG, wenn Maßnahmen gegen den Verursacher (vgl. § 21
Abs. 1 LAbfG) nicht möglich sind, kein Dritter verpflichtet ist und
die Abfälle wegen ihrer Art und Menge das Wohl der Allgemeinheit
beeinträchtigt. Betreibt der Entsorgungsträger - wie hier - die
Abfallentsorgung als öffentliche Einrichtung, so darf er auch die genannte
Pflicht und deren Erfüllung der Einrichtung zuordnen. Dass dem Grunde nach das
"Einsammeln" von Abfall dieser Pflicht zuzuordnen ist, folgt aus
§ 6 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 LAbfG. Ihre Erfüllung ist
hier auf Grund der Bestimmung in § 2 Abs. 3 der Satzung vom Landkreis
als Entsorgungsträger übernommen. Der Ansatz der für diesen Entsorgungsbereich
anfallenden Kosten der Verwertung und Beseitigung ist daher dem Grunde nach
zulässig. Wie die genannte Bestimmung in § 21 Abs. 2 LAbfG
verdeutlicht, stellt die Entsorgungspflicht eine lediglich subsidiäre Pflicht
des Entsorgungsträgers dar. Denn sie entsteht nach dieser Bestimmung allein und
erst dann, wenn u.a. Maßnahmen gegen den Verursacher nicht möglich sind und
kein Dritter verpflichtet ist. Entsprechende Kosten des Entsorgungsträgers sind
daher im Ansatz zu hinterfragen, was ihre "Betriebsbedingtheit" angeht.
Wie dargelegt hat der Landesgesetzgeber den Kostenbegriff des
§ 9 KAG, bei dem die betriebliche Verursachung ein Wesenselement
darstellt, durch § 8 Abs. 2 LAbfG erweitert auf einen dort zu
Grunde gelegten Aufwandsbegriff. Dass dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden
ist, entspricht der o.a. Rechtsprechung des Senats. Auf ihrer Grundlage ist
daher auch gegen die Zuordnung der hier in Rede stehenden Entsorgungskosten für
sog. wilden Müll zu den ansatzfähigen Kosten nichts einzuwenden. Mit Blick auf
die aufgezeigte Pflichtenrangfolge gilt im Übrigen Vergleichbares für die vom
Wortlaut her weit reichende Festlegung der Entsorgungspflicht bei "auf
öffentlichen Flächen" oder "außerhalb im Zusammenhang bebauter
Ortsteile" abgelagerten Abfällen. Hier ergibt sich die Bestimmtheit
gleichfalls aus der Vorgabe in § 21 Abs. 2 LAbfG.
Der Auffassung, diese Regelung sei unzulässig, weil ein verfassungsrechtlicher
Rechtfertigungsgrund nicht erkennbar sei (so Quaas, VBlBW 2000, 89, 92), ist nicht zu folgen. Bei dieser Betrachtungsweise
wird vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG eine
gebührenmäßige Ungleichbehandlung von sich ordnungsgemäß verhaltenden und von
solchen Abfallbesitzern hervorgehoben, die ein kleineres Müllbehältervolumen
nutzen, den übrigen Müll aber wild entsorgen (dazu Schulte/Wiesemann in
Driehaus, Kommunalrecht, § 6 RdNr. 322
b). Nach Auffassung des Senats verbietet sich im Rahmen des
Gleichbehandlungsgebots bereits eine Gegenüberstellung von ordnungsgemäß und
nicht ordnungsgemäß handelnden Abfallbesitzern. Abgesehen davon geht es -
ausgehend von der in erster Linie ordnungsrechtlichen Bewältigung des Problems
(dazu Schulze/Wiedemann, a.a.O. RdNr. 322c) -
lediglich um einen dann verbleibenden, sich auch gebührenrechtlich auswirkenden
Pflichtenkreis der öffentlichen Einrichtung, dessen Kosten sich regelmäßig als
nicht wesentlich für die Gebührenkalkulation erweisen würde. So hat auch hier
der Antragsgegner vorgetragen, dass ein eigenständiger Kostenansatz für die
angesprochene Beseitigung "wilden Mülls" unterblieben ist, da dafür
aufgewendete Kosten mittelbar in anderen Ansätzen Eingang gefunden haben und
sie im Übrigen in nahezu vernachlässigbarer Höhe entstanden sind. Anhaltspunkte
dafür, dass dies nicht zutrifft oder der gesetzliche Vorrang des Ordnungsrechts
nicht beachtet worden ist, sind nicht erkennbar und werden auch von den
Antragstellern nicht vorgebracht.
Anmerkung:
In seinem
nicht veröffentlichten Beschluss vom 2.3.1993, Az.: 5 TH 1898/92 hat der
Hessische Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Einbeziehung von Kosten für die
Leerung von Straßenpapierkörben in die Abfallgebühr folgendes ausgeführt:
"Letztlich
ist auch die Einbeziehung des Aufwandes für die Entleerung der im Gebiet der
Antragsgegnerin aufgestellten Abfallkörbe (§ 7 Abfallsatzung) in die
Gebührenkalkulation nicht zu beanstanden. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die
Vermeidung, Verminderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen und die
Sanierung von Altlasten - Hessisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz – HAbfAG- haben die kreisangehörigen Gemeinden und die
kreisfreien Städte die in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle einzusammeln. Die
gebührenrechtliche Abwälzbarkeit ergibt sich aus § 2 Abs. 2 HAbfAG".
(Die
Regelung des § 2 Abs. 2 HAbfAG findet sich jetzt in § 9 Abs. 1 HAKA)