BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Urteil
vom 1.12.2005
BVerwG 10 C 4.04
Leitsätze:
1. Auch vor In-Kraft-Treten der Gewerbeabfallverordnung stellte der Vorrang der
Abfallverwertung, den das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz statuiert, kein
rechtliches Hindernis dar, Erzeuger und Besitzer gewerblichen Siedlungsabfalls,
der nicht verwertet wird, einer satzungsrechtlichen Behälternutzungspflicht und
einer daran anknüpfenden Gebührenregelung zu unterwerfen (im Anschluss an
BVerwG, Urteile vom 17. Februar 2005 BVerwG 7 C 25.03 und 7 CN 6.04 Buchholz
451.221 § 12 KrW-/AbfG Nr. 2 und 3).
2. Es hält sich im Rahmen des Grundsatzes der Typengerechtigkeit, wenn eine
kommunale Abgabensatzung die Mindestgebühr für die Entsorgung gewerblicher
Siedlungsabfälle nach einem Maßstab bemisst, der sich am Abfallvolumen
orientiert, das durchschnittlich in einem privaten Kleinsthaushalt anfällt.
Diese Mindestgebühr entfaltet keine Lenkungswirkung, die mit dem
abfallrechtlichen Verwertungsgebot in Widerspruch steht.
3. Dem Grundsatz der Belastungsgleichheit und dem Äquivalenzprinzip
widerspricht es nicht, die Mindestgebühr auch dann zu erheben, wenn der
Gebührenschuldner unter Verstoß gegen die satzungsrechtliche
Behälternutzungspflicht das ihm zur Verfügung gestellte Abfallgefäß nicht
nutzt.
4. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz hat für gewerbliche
Siedlungsabfälle keinen Grundsatz freiwilliger Inanspruchnahme kommunaler
Entsorgungseinrichtungen aufgestellt und dem Abfallerzeuger die Überlassung der
Abfälle bis zum Erlass einer Ordnungsverfügung nicht freigestellt.
5. Seiner abfallwirtschaftlichen Verantwortung, die ihm mit dem Vorrang der
Verwertung auferlegt ist, genügt der Abfallerzeuger nicht, wenn er seinen
gewerblichen Siedlungsabfall einem privaten Entsorgungsunternehmen überlässt,
ohne dass ein bestimmter Weg zur Verwertung sichergestellt ist. Spätestens mit
der Bereitstellung zur Verbringung aus der Betriebstätte fällt insoweit Abfall
zur Beseitigung mit der Folge an, dass den Abfallerzeuger gegenüber dem
kommunalen Entsorgungsunternehmen eine Überlassungspflicht trifft.
Gründe:
I.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin dagegen, dass ihre
Rechtsvorgängerin, die S. GmbH, für das Jahr 1999 zu Benutzungsgebühren für die
kommunale Abfallentsorgung herangezogen worden ist.
Die Klägerin betreibt in S. eine Verkaufsfiliale für
Backwaren, die sie in L. produziert. In der Filiale anfallende Abfälle werden
dort vorsortiert, wobei ein Restabfallsack mit Kehricht, Putzutensilien,
Pausenresten der Verkäuferinnen, fettbeschmutztem Backpapier sowie von Kunden
zurückgelassenen Abfällen befüllt wird. Sämtliche Abfälle werden täglich zur
Produktionsstelle in L. verbracht und dort von einer Entsorgungsfirma in M.
übernommen. Das seit 1998 der Filiale in S. zur Verfügung gestellte
Restmüllgefäß mit 60 Liter Fassungsvermögen wird von der Klägerin und wurde von
ihrer Rechtsvorgängerin nicht genutzt.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2000 zog der beklagte Landkreis
die Rechtsvorgängerin der Klägerin für das Jahr 1999 zu einer Benutzungsgebühr
für die Abfallentsorgung in Höhe von 114 DM heran. Den hiergegen eingelegten
Widerspruch wies der Kreisrechtsausschuss des Landkreises mit Bescheid vom 19.
November 2002 zurück.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht
abgewiesen. Der Restabfallsack sei entgegen der Ansicht der Klägerin Abfall zur
Beseitigung, den sie dem Beklagten zu überlassen habe. Die Erhebung einer
Grundgebühr sei schon deswegen gerechtfertigt, weil der Beklagte durch die
Vorhaltung des Restmüllgefäßes, das regelmäßige Anfahren des Grundstücks mit
einem Entsorgungsfahrzeug und die übrigen abfallrechtlichen Vorhaltungen eine
gebührenpflichtige Leistung erbracht habe. Angesichts der Überlassungspflicht
für Beseitigungsabfälle, komme es nicht darauf an, ob das Restmüllgefäß
tatsächlich genutzt worden sei. Auch die von der Klägerin unter dem
Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und des Äquivalenzprinzips gegen die
Gebührenerhebung erhobenen Einwände gingen fehl.
Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht
zurückgewiesen. Die vom Beklagten herangezogenen satzungsrechtlichen
Bestimmungen zur Gebührenerhebung seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Ein
Verstoß gegen das auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhende und insbesondere im
Abgabenrecht bedeutsame Gebot der Normenklarheit und den Grundsatz der
Bestimmtheit liege nicht vor. Die bloße Auslegungsbedürftigkeit eines
Abgabentatbestandes nehme diesem nicht die rechtsstaatlich notwendige
Bestimmtheit. Die Satzung des beklagten Landkreises über die Erhebung von
Benutzungsgebühren für die Abfallentsorgung (AGS) vom 20. November 1997,
zuletzt geändert durch Satzung vom 23. Februar 1999, knüpfe hinsichtlich des
Beginns der Gebührenschuld insgesamt an die in § 13 Abs. 1 Satz 2 des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) normierte
Überlassungspflicht an. Eine grundsätzlich zulässige deklaratorische Wiedergabe
des Bundesrechts sei ebenso den Vorschriften zur näheren Ausgestaltung des
Umfangs der Verwertungs- und Beseitigungspflicht sowie des Anschlusszwangs in
der Satzung über die Vermeidung, Verwertung und sonstige Entsorgung von
Abfällen im beklagten Landkreis vom 20. November 1997 (AWS) zu entnehmen. § 13
Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG beschränke für Abfälle aus anderen Bereichen als
privaten Haushaltungen die für diesen Bereich insgesamt auferlegte
Überlassungspflicht auf Abfälle zur Beseitigung. Dieser vorgegebene Rahmen der
Überlassungspflicht, von dem die Bestimmung des Gebührentatbestandes abhänge,
möge zwar hinsichtlich der Frage, ob Abfälle überhaupt und ggf. welche Abfälle
dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen seien, zu
Rechtsanwendungsproblemen führen. Die Beantwortung dieser Frage sei jedoch
möglich, wenn auch die Konkretisierung dessen, was Abfall zur Beseitigung sei,
im Einzelfall hohe Anforderungen an die Sachaufklärung stellen möge.
Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte
in § 6 Abs. 1 AGS von zwölf Mindestentleerungen ausgehe, sei kein Verstoß der
Satzungsregelungen gegen Bundesrecht erkennbar. Die entsorgungspflichtige
Körperschaft habe ein weites Ermessen, innerhalb dessen sie bei der
Ausgestaltung des Gebührensystems auf unterschiedliche Maßstäbe zurückgreifen
und auf verschiedene Gesichtspunkte abstellen könne. Sie habe neben dem
Erfordernis, zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung anzuhalten, nach § 7
Abs. 1 Satz 4 des Kommunalabgabengesetzes (KAG Rhld.-Pf.) auch zahlreiche
andere Kriterien zu berücksichtigen, die einer Gebührendifferenzierung je nach
Menge der tatsächlich anfallenden Abfälle entgegenstehen könnten. Die
Einbeziehung von zwölf Entleerungen eines nur 60 Liter großen
Abfallbehältnisses widerspreche nicht dem seitens des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes vorgegebenen Lenkungszweck, weil bei der Berechnung der
anfallenden Gebühren durchaus eine gewisse Mindestinanspruchnahme unterstellt
werden dürfe. In ihrer Gesamtheit biete die Gebührengestaltung des Beklagten
hinreichend Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung, insbesondere
aufgrund der Tatsache, dass die Höhe der zu zahlenden Gebühr vom
Gebührenpflichtigen durch die Wahl des vorzuhaltenden Behältervolumens und
durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Zusatzentleerungen beeinflusst
werden könne.
Die Erhebung der Gebühr sei auch nicht aus
abgabenrechtlichen Grundsätzen zu beanstanden. Die Überlassungspflicht
hinsichtlich der Abfälle zur Beseitigung rechtfertige die Erhebung einer Grund-
und Mindestgebühr, ohne dass es auf die tatsächliche Inanspruchnahme ankomme.
Die in § 6 Abs. 2 AGS festgesetzte Jahresgrundgebühr in
Höhe von 114 DM beinhalte sowohl Elemente einer Grund- als auch einer
Mindestgebühr. In Bezug auf den Anteil der Gebühr, der sich auf das Vorhalten
des tatsächlich bereitgestellten Abfallgefäßes beziehe, handele es sich um eine
Grundgebühr, mit der die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der
Abfallentsorgungseinrichtung entstehenden Kosten abgegolten werden sollten.
Durch die Bereitstellung des 60-Liter-Abfallgefäßes halte der Beklagte die
Lieferungs- und Betriebsbereitschaft seiner Abfallentsorgungseinrichtung auch
tatsächlich vor. Darüber hinaus werde durch die Abgeltung der ebenfalls in der
Gebühr enthaltenen zwölf Entleerungen eine Mindestgebühr erhoben. Üblicherweise
werde unter einer Mindestgebühr allerdings eine Benutzungsgebühr verstanden,
die für die (wenn auch geringfügige) tatsächliche Inanspruchnahme der
öffentlichen Einrichtung zur Deckung sämtlicher mit der Leistungserstellung
verbundenen Kosten erhoben werde. Dennoch sei vorliegend die Erhebung einer
Mindestgebühr auch ohne eine tatsächliche Inanspruchnahme zulässig, wenn der
Abfall als Abfall zur Beseitigung dem Beklagten als dem zuständigen
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen werden müsse.
Die satzungsrechtlichen Bestimmungen des Beklagten setzten
für die Annahme eines gebührenrechtlich relevanten Benutzungsverhältnisses das
Vorliegen von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen gemäß §
13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG voraus. Sobald die Voraussetzungen dieser Vorschrift
erfüllt würden, entstehe die Verpflichtung zur Überlassung der anfallenden
Abfälle zur Beseitigung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Diese
bundesgesetzliche Überlassungspflicht, die sich insoweit nicht von der in § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG normierten
Überlassungspflicht von Erzeugern oder Besitzern von Abfällen aus privaten
Haushaltungen unterscheide, begründe bereits die Pflicht zur Nutzung der
öffentlichen Einrichtung der Abfallentsorgung des Beklagten. Unter den
Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG wandele sich die nach diesem
Gesetz bestehende Grundpflicht, Abfälle entweder gemäß § 5
Abs. 2 KrW-/AbfG zu verwerten oder aber gemäß § 11 Abs. 1 KrW-/AbfG zu
beseitigen, in eine Überlassungsverpflichtung um. Derjenige, der zur
Überlassung der Abfälle verpflichtet sei, müsse und dürfe eine Eigenentsorgung
nicht mehr vornehmen, weil in diesem Fall bereits von einer rechtswidrigen
Beseitigung auszugehen sei. Es entstehe ein Anspruch gegenüber dem
Entsorgungsträger auf Übernahme der von der Überlassungspflicht erfassten
Abfälle nach § 15 KrW-/AbfG. Das im Begriff der Inanspruchnahme vorhandene
subjektive Element werde durch die objektiv-rechtliche Verpflichtung zur
Überlassung ersetzt. Daher sei auf die "Freiwilligkeit der
Inanspruchnahme" nicht abzustellen. Für die Erhebung der Gebühr bedürfe es
auch keines weiteren Vollzugsaktes zur Durchsetzung der Überlassungspflicht
durch die entsorgungspflichtige Körperschaft. Dieses Ergebnis werde auch
dadurch bestätigt, dass anderenfalls diejenigen Gebührenschuldner, die ihrer
gesetzlich normierten Überlassungspflicht Folge leisteten, schlechter gestellt
würden als diejenigen, die ihrer Überlassungspflicht rechtswidrig nicht
nachkämen.
Die erhobene Jahresgebühr verstoße auch nicht gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Äquivalenzprinzip. Die Gleichstellung der
Abfallerzeuger aus sonstigen Herkunftsbereichen mit den Privathaushalten und
gemischt genutzten Grundstücken sei unbedenklich. Das gelte insbesondere vor
dem Hintergrund, dass der Beklagte bei der Gebührenberechnung das mit 60 Litern
Fassungsvermögen kleinste Abfallbehältnis berücksichtigt habe und auch die
Leerungsfrequenz derjenigen eines Kleinsthaushaltes entspreche. Schließlich
seien Gesichtspunkte, die Anlass zu einem Verstoß gegen den
Typisierungsgrundsatz geben könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klägerin sei zu der veranlagten Jahresgrundgebühr
heranzuziehen, weil sie hinsichtlich des Restabfallsackes nach § 13 Abs. 1 Satz
2 KrW-/AbfG überlassungspflichtig sei. Bei dem Restabfallsack, in dem sich nach
dem unwidersprochen gebliebenen Vermerk des Beklagten vom 5. Februar 1997
Kehricht, Putzutensilien, Pausenreste der Verkäuferinnen, fettbeschmutztes
Backpapier sowie von Kunden zurückgelassene Abfälle befänden, handele es sich
insgesamt um Abfall zur Beseitigung. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in
seinem Urteil vom 15. Juni 2000 BVerwG 3 C 4.00
(Buchholz 451.221 § 13 KrW-/AbfG Nr. 6) ausgeführt, dass Abfälle, die ohne
Verstoß gegen Trennungsgebote vermischt worden seien, dann nicht als Abfälle
zur Beseitigung gälten, wenn sie sowohl überwiegend verwertbar seien als auch
einer Verwertung zugeführt würden. Dieser Entscheidung habe die Frage der
zulässigen Entsorgung eines hausmüllähnlichen Gewerbeabfallgemischs zugrunde
gelegen, welches unstreitig in einem Anteil von ca. 75 % für eine stoffliche
Verwertung geeignet gewesen sei. Da der Restabfallsack der Klägerin tatsächlich
kein Abfallgemisch in diesem Sinne enthalte, sei diese Rechtsprechung
vorliegend nicht anwendbar. Dies folge bereits aus dem von der Klägerin in
allen ihren Filialen verfolgten Abfallkonzept. Sie sortiere und trenne den
anfallenden Abfall vor Ort und verbringe diesen, ebenfalls getrennt, täglich zu
ihrer Produktionsstätte. Eine Vermischung von Abfällen werde gerade vermieden.
Der Restabfallsack enthalte wenn überhaupt nur einen verschwindend geringen
Anteil von Abfall zur Verwertung. Dies allein rechtfertige jedoch nicht die
Annahme, der Inhalt des Restabfallsackes sei insgesamt als Abfall zur
Verwertung einzustufen. Dem stehe auch nicht das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2003 BVerwG 7 C 1.02 (Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 192)
zu Fragen der innergemeinschaftlichen Abfallverbringung entgegen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung
formellen und materiellen Bundesrechts und beantragt,
die
Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. März 2004 und des
Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 16. Juli 2003 zu ändern und
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. Februar 2000 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 19. November 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und tritt dem
Vorbringen der Klägerin entgegen.
II.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das
Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin ohne Verstoß gegen
Bundesrecht zurückgewiesen.
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen bleiben
ohne Erfolg.
a) Die Klägerin meint, gerade bei kleinen Betrieben könnten
die restlichen Abfälle zur Beseitigung einen Umfang haben, der weder ein
60-Liter-Abfallgefäß noch zwölf Leerungen im Jahr erforderlich mache. Da dies
von ihr bereits in erster Instanz vorgetragen worden sei, habe das
Berufungsgericht nicht zu der Feststellung gelangen dürfen, Gesichtspunkte, die
einen Anhalt für einen Verstoß der Gebühr gegen den Typisierungsgrundsatz geben
könnten, seien weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich (UA S. 12). Dem
Oberverwaltungsgericht habe sich vielmehr diesbezüglich eine weitere
Sachaufklärung aufdrängen müssen. Dem ist nicht zu folgen.
Die von der Klägerin beanstandete Aussage des
Berufungsurteils steht in einem inneren Zusammenhang mit der Feststellung der
Vorinstanz, der Beklagte habe bei der Gebührenberechnung das mit 60 Litern
Fassungsvermögen kleinste Abfallbehältnis berücksichtigt und auch die
Leerungsfrequenz entspreche derjenigen eines Kleinsthaushaltes. Dies ist ein
Gedankengang, den die Vorinstanz unverändert aus dem Urteil des
Verwaltungsgerichts übernommen hat (dort UA S. 15). Hintergrund ist worauf der
Beklagte in seiner Revisionserwiderung unwidersprochen hinweist der Umstand,
dass mit zwölf Leerungen im Jahr bei einem 60-Liter-Behälter umgerechnet ein
Abfallvolumen von weniger als 14 Litern pro Woche zu bewältigen ist. Nach den
in der Vollzugspraxis gesammelten Erfahrungen bewegt sich das durchschnittliche
Abfallaufkommen eines Privathaushalts in dieser Größenordnung (vgl. Kibele, NVwZ 2003, 22 ; Schink, NuR 2003, 343 , jeweils m.w.N.). Die Argumentation der
Klägerin ging im Berufungsverfahren lediglich dahin, dass im Hinblick auf das
abfallrechtliche Verwertungsgebot die in kleinen Betrieben anfallenden Abfälle
zur Beseitigung nicht einmal dieses Abfallaufkommen erreichen könnten. Ohnehin
könne der Typisierungsgrundsatz eine Ungleichbehandlung nur dann rechtfertigen,
wenn nicht mehr als 10 % aller Fälle diesem "Typ" widersprächen; es
reiche dagegen nicht aus, wenn nur in der überwiegenden Anzahl von Betrieben
ein ausreichendes Abfallvolumen anfalle. Eine Beweisanregung hatte die Klägerin
mit diesem Vortrag nicht verbunden.
Die Vorinstanz hat sich zu der von der Klägerin
angesprochenen 10 %-Regel nicht geäußert. Sie ist in diesem Punkt vielmehr
stillschweigend von einer abweichenden materiellrechtlichen Auffassung
ausgegangen. Darauf deutet insbesondere die an anderer Stelle (UA S. 9) zu
findende Aussage der Vorinstanz hin, bei der Berechnung der anfallenden
Gebühren dürfe "durchaus eine bestimmte Mindestinanspruchnahme unterstellt
werden". Damit gibt die Vorinstanz zu erkennen, dass aus ihrer Sicht bei
einer Gebühr, die als Mindestgebühr erhoben wird, weitere Differenzierungen des
Gebührenmaßstabs entbehrlich sind, weil in dem genannten Bereich zu
verzeichnende Schwankungen des Abfallvolumens im Bagatellbereich liegen und
vernachlässigt werden dürfen. Wenn sich die Revision demgegenüber auf Aussagen
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruft, die darauf
hinauslaufen, die Typengerechtigkeit von Abgaben nach der 10 %-Regel zu
beurteilen (vgl. z.B. Beschluss vom 19. September 1983 BVerwG
8 N 1.83 Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 22 S. 15; Beschluss vom 25. März 1985 BVerwG 8 B 11.84 Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr.
53 S. 39; Urteil vom 1. August 1986 BVerwG 8 C 112.84
Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 59 S. 54), übersieht sie im Übrigen,
dass diese Entscheidungen jeweils auf Besonderheiten abstellen, die für das
Wasser- und Abwasserabgabenrecht kennzeichnend sind. Dort ist in der Regel eine
Gestaltung der Abgaben unproblematisch möglich, die sich ausgeprägt an der
Benutzungsintensität ausrichtet; die Zahl der "Ausnahmen", bei denen
eine darauf bezogene Differenzierung entfällt, kann ohne unangemessenen
erhebungstechnischen Aufwand gering gehalten werden, wobei die Grenze hierfür
bei etwa 10 % liegen mag. Auf das Abfallgebührenrecht sind diese Aussagen aber
nicht uneingeschränkt übertragbar. Dies gilt zumindest solange, wie die hier
verwendeten Gebührenmaßstäbe, die bislang eine stark pauschalierende
Erhebungstechnik berücksichtigen, sich nicht wesentlich weiter einem
Wirklichkeitsmaßstab angenähert haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November
2001 BVerwG 9 B 50.01 Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95 ). Dies mag für
die Vorinstanz ein Grund mehr gewesen sein, die von der Klägerin ins Feld
geführte gegenteilige Argumentation als so wenig tragfähig zu erachten, dass
sich eine ausdrückliche Stellungnahme erübrigt.
Auf Einwände gegen diese materiellrechtliche Position kann
die Aufklärungsrüge jedenfalls nicht gestützt werden. Die Frage, ob das
vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, beurteilt sich nach dem
materiellrechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz, selbst wenn dieser
Standpunkt Bedenken unterliegen sollte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 23.
Januar 1996 BVerwG 11 B 150.95 Buchholz 424.5
GrdstVG Nr. 1 S. 1). Letzteres trifft hier nicht einmal zu. Unter diesen
Gegebenheiten stellt es keinen Verstoß gegen § 86 Abs. 1
VwGO dar, wenn die Vorinstanz ohne weitere Sachaufklärung davon ausgegangen
ist, es halte sich noch im Rahmen des Grundsatzes der Typengerechtigkeit, wenn
für Gewerbebetriebe das Abfallvolumen eines privaten Kleinsthaushaltes als
Maßstab für die Gebührenbemessung gewählt worden ist.
b) Die Klägerin rügt, das Berufungsgericht habe ihre
wiederholten Hinweise auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.
Dezember 2000 BVerwG 11 C 7.00 (BVerwGE 112, 297) unbeachtet gelassen. Dort
habe das Bundesverwaltungsgericht über die Zulässigkeit von Grundgebühren im
Hausmüllbereich entschieden und hervorgehoben, bei anderen Abfällen verbleibe
es bei dem in § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG normierten
Verursacherprinzip und damit bei der vorrangigen Entsorgungsverantwortung der
Abfallbesitzer; deshalb verbiete die Einheit der Rechtsordnung es dem
Satzungsgeber, "sich für eine gebührenrechtliche Lenkungswirkung zu
entscheiden, die dem Gebührenpflichtigen ein Verhalten abverlangt, das einer
Regelung des Bundesgesetzgebers widerspricht" (a.a.O. S. 306). Das
Berufungsgericht habe in seinem Urteil die damit unvereinbare These formuliert,
der entsorgungspflichtigen Körperschaft verbleibe bei der Ausgestaltung des
Gebührensystems ein weites Ermessen (UA S. 9). Damit sei das Berufungsgericht
ohne Begründung von der durch Parteivorbringen in Bezug genommenen
höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen; denn die in §
6 Abs. 1 AGS vorgesehene "Jahresgrundgebühr" entfalte eine dem
Abfallrecht des Bundes widersprechende Lenkungswirkung. Die damit erhobene
Gehörsrüge geht fehl.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt vom Gericht, den
Sachvortrag der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu
ziehen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 BVerwG
4 C 10.95 Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass dies bei der Entscheidungsfindung
geschehen ist, und zwar auch dann, wenn einzelne Ausführungen der Beteiligten
in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt werden. Aus Art.
103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO folgt nämlich
noch keine Pflicht des Gerichts, jedes Vorbringen im Einzelnen zu bescheiden
(stRspr des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa BVerfGE 86, 133 ; 87, 363 ).
Das Gericht ist nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten
einzugehen, die im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur
Sprache gebracht worden sind (vgl. BVerfGE 96, 205 ). Um einen Verfahrensmangel
anzunehmen, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass der
Sachvortrag eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen
oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen worden ist.
Besondere Umstände dieser Art liegen nicht vor, wenn das Gericht Ausführungen
eines Beteiligten außer Betracht lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt
unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert sind (vgl. BVerfGE 70, 288 ;
ebenso Kammerbeschluss vom 6. August 2002 2 BvR 2357/00 NVwZ-RR 2002, 802 ).
Letzteres ist hier anzunehmen.
Das Berufungsgericht hat das von der Klägerin angesprochene
Urteil des Senats vom 20. Dezember 2000 in einem anderen Zusammenhang selbst
zitiert (UA S. 10), ist auf die dortigen Ausführungen zu den abfallrechtlichen
Grenzen einer gebührenrechtlichen Lenkungswirkung aber nicht eingegangen. Es
begnügt sich insoweit mit dem Hinweis, dass ein Widerspruch zu dem seitens des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vorgegebenen Lenkungszweck nicht
anzunehmen sei, "da bei der Berechnung der anfallenden Gebühren durchaus
eine bestimmte Mindestinanspruchnahme unterstellt werden darf" (UA S. 9).
Die Vorinstanz geht somit unausgesprochen davon aus, dass typischerweise in
jedem Gewerbebetrieb, auch wenn dieser seiner Pflicht zur Abfallvermeidung und
-verwertung ordnungsgemäß genügt, dennoch in geringem Umfang Abfälle zur
Beseitigung anfallen. Dementsprechend unterscheidet sich ein Gewerbebetrieb in
dieser Hinsicht nicht grundlegend von einem Privathaushalt. Eine
Gebührenregelung, die insoweit zur Gleichstellung der Abfallerzeuger aus
sonstigen Herkunftsbereichen mit den Privathaushalten führt, ist rechtlich
unbedenklich. Wie noch zu erläutern sein wird (unten 2. b) ff)), kann die
Erhebung einer Mindestgebühr für das mit 60 Litern Fassungsvermögen kleinste
Abfallbehältnis, das ebenso jeder Privathaushalt braucht, um bei jährlich zwölf
Entleerungen ein Minimum an Abfällen ordnungsmäßig zu entsorgen, schon deswegen
keine unzulässige Lenkungswirkung entfalten, weil unter diesen Umständen von
einem relevanten ökonomischen Anreiz, noch verwertbare Abfälle des
Gewerbebetriebs dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen,
keine Rede sein kann.
Dass diese die Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis
tragenden Überlegungen im Widerspruch zu Aussagen stehen, die der erkennende
Senat in seinem Urteil vom 20. Dezember 2000 zum Abfallrecht gemacht hat, ist
nicht ersichtlich. Dieser hat dort nämlich lediglich zum Ausdruck gebracht,
dass eine Gebührenregelung unzulässig wäre, die eine Entscheidung des
Bundesgesetzgebers "konterkariert", private Abfallerzeuger oder
Abfallbesitzer von einem abfallrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang
auszunehmen (a.a.O. S. 306). Speziell für einen teilweisen Gebührenverzicht bei
der Biotonne hat der erkennende Senat dies verneint, ohne in diesem
Zusammenhang zu der Frage Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen
gewerbliche Siedlungsabfälle durch kommunale Satzungen einem Anschluss- und
Benutzungszwang und einer daran anknüpfenden Gebührenregelung unterworfen
werden dürfen. Weitergehende Schlussfolgerungen, wie sie die Klägerin aus dem
Urteil vom 20. Dezember 2000 herleiten möchte, sind demnach dieser Entscheidung
offensichtlich nicht zu entnehmen. Es bedeutet keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs, wenn das Berufungsgericht darauf verzichtet hat, dies zu erläutern.
2. Ebenso zu Unrecht rügt die Revision eine Verletzung
materiellen Bundesrechts.
a) Da dem Revisionsgericht nach § 173
Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO eine Nachprüfung der in
Anwendung von Landesrecht gewonnenen Auslegungsergebnisse im Grundsatz versagt
ist, erhebt die Revision gegen die diesbezüglichen Aussagen der Vorinstanz den
Willkürvorwurf. Der Versuch, damit einen bundesrechtlichen Maßstab aufzuzeigen,
der doch zu einer Korrektur der Auslegung des Landesrechts führt, hat keinen
Erfolg.
Zur Begründung ihres Willkürvorwurfs macht die Revision
geltend, Wortlaut und Inhalt der § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 1 und 2 AGS gäben nichts dafür her, dass das
Bestehen einer Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG
maßgeblicher Gebührentatbestand i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 2
KAG Rhld.-Pf. sei. Ebenso willkürlich sei die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz
1 KAG Rhld.-Pf. durch das Berufungsgericht. Nach der genannten Vorschrift
könnten Benutzungsgebühren nur "als Gegenleistung für die Inanspruchnahme
öffentlicher Einrichtungen und Anlagen" erhoben werden. Im Widerspruch
hierzu halte das Berufungsgericht im vorliegenden Fall aber eine
Gebührenerhebung ohne eine tatsächliche Inanspruchnahme der
Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten für zulässig, obwohl in der
Rechtsprechung allgemein anerkannt sei, dass das Bestehen eines Anschluss- und
Benutzungszwangs für sich genommen nicht ausreiche, um die Erhebung von Benutzungsgebühren
zu rechtfertigen. Diese Argumentation überzeugt nicht.
Dem Vorwurf der Willkür, die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, setzt sich eine
gerichtliche Entscheidung erst dann aus, wenn sie unter keinem denkbaren
rechtlichen Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss
aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und die Rechtslage
deshalb in krasser Weise verkannt wurde (vgl. BVerfGE 89, 1 ; Beschluss vom 31.
März 1998 1 BvR 2008/97 NJW 1998, 2583; BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2003 BVerwG 9 B 64.02 juris Rn. 6). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf
Willkür beruht, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls
beurteilt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2005 2 BvR 625/01 NJW
2005, 3410 ). Von Willkür kann dann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich
mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jeder
Grundlage entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 ; 96, 189 ). Das Berufungsgericht hat
seine Auslegung des einschlägigen Landesrechts ausführlich und nachvollziehbar
begründet. Die von der Revision hieran geübte Kritik zeigt nicht auf, dass das
dabei gefundene Auslegungsergebnis rechtlich nicht zumindest vertretbar ist.
Die vom Berufungsgericht angestrebte inhaltliche Übereinstimmung zwischen dem
kommunalen Satzungsrecht und den bundesrechtlichen Vorgaben des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes widerstreitet nicht offenkundig dem
einschlägigen Landesgebührenrecht. Das gilt auch für die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG Rhld.-Pf., deren Wortlaut
keineswegs eindeutig für das von der Revision gewünschte Ergebnis der
Rechtsanwendung spricht. Soweit die Revision Gegenteiliges aus dem Bundesrecht
etwa dem Äquivalenzprinzip entnehmen will, ist ihr Rechtsverständnis ohnehin
fehlerhaft.
b) Materielles Bundesrecht hält die Revision für verletzt,
weil gegen das Berufungsurteil der Vorwurf zu erheben sei, Vorgaben des
Abfallrechts verletzt zu haben. Zwar habe die Vorinstanz versucht, einen
inneren Widerspruch zwischen dem Satzungsrecht des Beklagten und den Vorgaben
des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zu vermeiden. Mit diesem Ziel habe
sie das Satzungsrecht so ausgelegt, dass es eine deklaratorische Übernahme der
abfallrechtlichen Vorgaben beinhalten solle. Dabei sei aber nicht beachtet
worden, dass der Vorrang der Abfallverwertung, den das Kreislaufwirtschafts-
und Abfallgesetz statuiert habe, im Ergebnis ein rechtliches Hindernis
darstelle, gewerblichen Siedlungsabfall einem satzungsrechtlichen Anschluss-
und Benutzungszwang und einer daran anknüpfenden Gebührenregelung zu unterwerfen.
Dies gelte zumindest dann, wenn das Satzungsrecht vom Berufungsgericht so
ausgelegt werde, dass gewerbliche Abfallerzeuger ohne vorherige Regelung in
einer Einzelanordnung nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG, die
in eine andere Behördenzuständigkeit falle, eine Überlassungspflicht nach § 13
Abs. 1 Satz 2 KrW- /AbfG treffe. Dieser Einwand gegen den Geltungsanspruch des
Satzungsrechts hält auch unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben
einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Ebenso wenig tragfähig erweist sich
die Rüge, mit der die Revision eine mit dem Abfallrecht kollidierende
Lenkungswirkung der Mindestgebühr geltend macht.
aa) Das Berufungsurteil (UA S. 11)
geht davon aus, dass bereits Satz 2 des § 13 Abs. 1 KrW- /AbfG durch seine
Bezugnahme auf den dortigen Satz 1 beim Vorliegen von Abfällen zur Beseitigung
aus anderen Herkunftsbereichen "eine Verpflichtung zur Überlassung der
anfallenden Abfälle zur Beseitigung an den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger" entstehen lässt. Diese bundesrechtliche
Überlassungspflicht, die sich insoweit nicht von der Überlassungspflicht von
Erzeugern und Besitzern von Abfällen aus privaten Haushaltungen unterscheide,
begründe bereits die Pflicht zu Nutzung der kommunalen Abfallentsorgung.
Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Auslegung des Bundesrechts nicht
zu beanstanden.
Die Normierung der Überlassungspflicht in §
13 Abs. 1 KrW-/AbfG steht in einem engen Zusammenhang mit der in § 11 Abs. 1 KrW- /AbfG statuierten Grundpflicht des
Abfallerzeugers/-besitzers, Abfälle, die nicht verwertet werden,
gemeinwohlverträglich zu beseitigen (vgl. § 10 Abs. 1 KrW-
/AbfG). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, wandelt sich diese
Beseitigungspflicht unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW- /AbfG
auch speziell bei gewerblichen Siedlungsabfällen in eine
Überlassungsverpflichtung um. Sobald der Abfallerzeuger/-besitzer zur
Überlassung verpflichtet ist, darf er eine Eigenentsorgung nicht (mehr)
vornehmen. Im Rahmen der Kompetenz des Bundes, die "Abfallbeseitigung"
(vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24, Art.
72 Abs. 2 GG) und das "Recht der Wirtschaft" (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) in Abgrenzung zum
Kommunalrecht der Länder gesetzlich zu regeln, wird allerdings nur das
"Ob" der Überlassung dieser Abfälle im Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetz abschließend geregelt, während die kommunale Satzungsbefugnis für
das "Wie" der Abfallüberlassung unberührt bleibt (vgl. BVerwG, Urteil
vom 17. Februar 2005 BVerwG 7 CN 6.04 Buchholz 451.221 § 12 KrW-/AbfG Nr. 3 S.
18).
Zulässig waren und sind landesrechtliche Regelungen, die in
Anknüpfung an die jeweiligen örtlichen Verhältnisse Anforderungen an Ort, Zeit
sowie Art und Weise der Überlassung bestimmen. In diesem Umfang wurde die
fortbestehende Landeskompetenz (Art. 70 GG) und die daraus
resultierende kommunale Satzungsbefugnis auch vor In-Kraft-Treten der
Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) vom 19. Juni 2002 (BGBl I S. 1938) nicht
durch die Verordnungsermächtigung in § 12 Abs. 1 KrW /AbfG verdrängt (zur fehlenden Sperrwirkung des
Bundesrechts BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2005 BVerwG 7 CN 6.04 a.a.O. S. 18
f. unter Hinweis auf das Urteil vom 25. August 1999 BVerwG
7 C 27.98 Buchholz 451.221 § 13 KrW- /AbfG Nr. 4). Die nunmehr geltende
Vorschrift des § 7 Satz 4 GewAbfV stellt mit den Worten "nach den näheren
Festlegungen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers" lediglich
klar, dass die Bestimmung des angemessenen Umfangs der dort normierten
Abfallbehälterbenutzungspflicht weiterhin dem kommunalen Satzungsrecht
vorbehalten bleiben soll (vgl. BRDrucks 278/02 , S. 9).
bb) Nicht überzeugen kann der Einwand der Revision, die
kommunale Entsorgungsaufgabe beginne nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG erst mit
der Abfallüberlassung; würden Abfälle nicht freiwillig überlassen, müsse eine
etwaige Überlassungspflicht erst durch die staatlichen Abfallbehörden mit den
Mitteln des Ordnungsrechts erzwungen werden. Das Zuständigkeitsproblem, das die
Revision hiermit verbindet, besteht in Wirklichkeit nicht; denn die
Überlassungspflicht und der zwangsweise Vollzug des Benutzungszwangs haben
unterschiedliche Rechtsgrundlagen. In seinem Urteil vom 17. Februar 2005 BVerwG 7 CN 6.04 (a.a.O. S. 17 f.) hat der 7. Senat des
Bundesverwaltungsgerichts dies zutreffend klargestellt. Wenn § 15 Abs. 1 Satz 1
KrW-/AbfG Verwertungs- und Beseitigungspflichten der kommunalen
Entsorgungsträger nur für die ihnen "überlassenen Abfälle" statuiert,
hat der Gesetzgeber entgegen der Auffassung der Revision damit nicht einen
Grundsatz freiwilliger Inanspruchnahme kommunaler Einrichtungen anerkannt und
dem Abfallerzeuger/ besitzer die Überlassung der
Abfälle bis zum Erlass einer Ordnungsverfügung freigestellt. Vielmehr bringt
der Gesetzgeber damit nur zum Ausdruck, dass kommunale Entsorgungsträger nicht
verpflichtet sind, angefallene Abfälle zur Beseitigung einzusammeln, um ihrer
Beseitigungspflicht nachkommen zu können (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.
Februar 1983 BVerwG 7 C 45.80 BVerwGE 67, 8 ). Durch
§ 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG werden die kommunalen Abfallbesitzer vielmehr den
privaten Abfallbesitzern gleichgestellt. Erst die Überlassung des Abfalls
verpflichtet den kommunalen Entsorgungsträger, Verwertungsmöglichkeiten erneut
zu prüfen, soweit sich der Vorbesitzer z.B. auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit
(vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG) berufen konnte
(vgl. BTDrucks 12/5672, S. 44 zu § 8 des Regierungsentwurfs). Die
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger "unterliegen ihrerseits gemäß §
15 einer eigenständigen Pflicht zur Verwertung und Entsorgung nach dem Prinzip
der Daseinsvorsorge" (BTDrucks 12/7284, S. 17), die der Natur der Sache
nach erst mit der Inbesitznahme der "überlassenen Abfälle" beginnt.
Der private Abfallerzeuger/-besitzer kann seiner Überlassungspflicht allerdings
nur nachkommen, wenn der kommunale Entsorgungsträger daran mitwirkt. Es ist
deswegen nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz nach Maßgabe von § 15 KrW-/AbfG beiläufig einen Anspruch auf Übernahme des von
der Überlassungspflicht erfassten Abfalls bejaht hat (UA S. 11).
cc) Entgegen der Auffassung der Revision sind die
Tatbestandsvoraussetzungen, an die § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG die
Überlassungspflicht des Abfallerzeugers/ -be¬sitzers anknüpft, auch nicht
derart unbestimmt, dass diese ohne eine vorherige Konkretisierung durch einen
Verwaltungsakt nicht entstehen kann. Dahinstehen mag, ob in dem Sonderfall
etwas anderes gilt, dass der Abfallerzeuger/-besitzer geltend macht, die
Abfallentsorgung "in eigenen Anlagen" durchführen zu können, und
deswegen zu prüfen ist, ob dennoch "überwiegende öffentliche Interessen
eine Überlassung erfordern" (dazu VGH Mannheim, Urteil vom 22. März 2001 2
S 2043/00 NVwZ 2002, 211 m.w.N.). Zumindest in allen anderen Fällen so auch
hier entsteht die Überlassungspflicht kraft Gesetzes, sobald Abfälle zur Beseitigung
anfallen. Die in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsahnwendungsprobleme,
die daraus resultieren, dass der Begriff des Abfalls zur Beseitigung eine
Abgrenzung vom Begriff des Abfalls zur Verwertung erfordert, hat das
Berufungsgericht zutreffend als überwindbar angesehen (UA S. 8). Die dagegen
von der Revision erhobenen Einwände überzeugen nicht.
§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG definiert Abfälle zur Verwertung
dahingehend, dass dies Abfälle sind, die verwertet werden; Abfälle zur
Beseitigung sind nach dieser Vorschrift demgegenüber Abfälle, die nicht
verwertet werden. Nach dem Wortlaut wird damit auf ein tatsächliches Geschehen
abgestellt, das dem Anfall des Abfalls nachfolgt, sobald dieser entsorgt wird.
Die Entsorgung kann nur entweder in einer Verwertung oder in einer Beseitigung
bestehen (vgl. § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG). Welche der beiden
Entsorgungsformen vorliegt, entscheidet sich also erst mit der weiteren
Behandlung des angefallenen Abfalls. Es scheint zumindest auf den ersten Blick
wenig hilfreich, wenn § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG bestimmte Rechtsfolgen daran
anknüpft, dass Abfall zur Beseitigung angefallen ist, bei Beantwortung der
Frage, ob dieser Fall vorliegt, der Rechtsanwender aber durch § 3 Abs. 1 Satz 2
KrW-/AbfG darauf verwiesen wird zu prüfen, ob der Abfall nicht verwertet,
sondern beseitigt wird. Der duale Abfallbegriff des § 3
Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG erweist sich damit als lückenhaft.
Einen Weg, die Begriffsbestimmung interpretatorisch zu
ergänzen, weist der Vorrang der Verwertung. Aus § 5 Abs. 2
Satz 2 KrW-/AbfG lässt sich allerdings nur dann ein zusätzliches Kriterium
für die Abgrenzung zwischen Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung
gewinnen, wenn ein Zeitpunkt bestimmt wird, in dem der Vorrang der Verwertung
zum Tragen kommt. Es geht dabei um die verbindliche Beantwortung der Frage,
welcher der Entsorgungswege Verwertung oder Beseitigung für den angefallenen
Abfall gewählt werden wird. Die Revision vertritt die Meinung, dass bei
Einschaltung eines privaten Entsorgungsunternehmens Abfall zur Beseitigung erst
am Ende des Entsorgungswegs und auch nur dort anfallen könne. Danach würde erst
das Ergebnis des weiteren Entsorgungswegs nachträglich über die Abgrenzung
zwischen Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung entscheiden (in
diesem Sinne wohl BayVGH, Beschluss vom 7. Januar 2002 20 N 01.503 BayVBl 2003,
51). Im Bereich der gewerblichen Siedlungsabfälle wäre damit einer
Privatisierung der Entsorgung zugunsten einer kommerziellen Abfallwirtschaft
und einer vollständigen Verdrängung der kommunalen Entsorgungsträger der Weg
bereitet. Dieses Ergebnis, das die Revision unter Berufung auf den Vorrang der
Verwertung fordert, stünde mit Sinn und Zweck dieser Regelung jedoch nicht im
Einklang.
Die Pflicht des Abfallerzeugers/-besitzers, Abfall vorrangig
zu verwerten, reicht bis zur Grenze des technisch Möglichen und wirtschaftlich
Zumutbaren (vgl. § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG) und entfällt im
Übrigen von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen (vgl. § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG) nur, wenn die Beseitigung die
umweltverträglichere Lösung darstellt (vgl. § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG).
Der Vorrang der Verwertung ist letztlich Ausfluss der Produktverantwortung
(vgl. §§ 22 ff. KrW-/AbfG). Der Abfall erzeugenden Wirtschaft soll nach Maßgabe
des Verursacherprinzips (vgl. BTDrucks 12/5672, S. 40) eine eigene
abfallwirtschaftliche Verantwortung auferlegt werden, die neben die
Daseinsvorsorge der öffentlichen Entsorgungsträger tritt. Letztere sollen erst
tätig werden, wenn eine Verwertung des angefallenen Abfalls nicht zu
effizienten und umweltgerechten Ergebnissen führt. Die Verwertung besteht in
einer Wiederverwendung des Abfalls oder einer sonstigen Nutzung als
"Sekundärrohstoff" (so BTDrucks 12/5672, S. 35 ff., 59) und soll im
Grundsatz von der den Abfall erzeugenden Wirtschaft eigenverantwortlich
sichergestellt werden. Der Gesetzgeber setzt insoweit darauf, dass auch Abfall
auf dem Markt zunehmend als Wirtschaftsgut akzeptiert wird, so dass eine
Verwertung von den Abfallerzeugern schon im Interesse an einer
Einnahmeerzielung, also regelmäßig ohne staatlichen Zwang angestrebt werden
wird. Durch den Vorrang der Verwertung soll eine Kreislaufwirtschaft initiiert
werden, die zur Schonung vorhandener Ressourcen beiträgt (vgl. §
1 KrW-/AbfG).
Eine Verwertung setzt zunächst voraus, dass überhaupt Abfall
angefallen ist. Abfall fällt an, wenn erstmals die Begriffsmerkmale des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG erfüllt sind. Danach sind
Abfälle bewegliche Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen
fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen
muss. Entledigung liegt nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG vor,
wenn der Abfallbesitzer eine Sache einer Verwertung im Sinne des Anhangs II B
oder einer Beseitigung im Sinne des Anhangs II A zuführt oder die tatsächliche
Sachherrschaft unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. Die
Anhänge II zählen Verwertungs- und Beseitigungsverfahren auf, "die in der
Praxis angewandt werden". Der Anfall des Abfalls zwingt den Abfallerzeuger
schon aus diesem Grunde zu einer "prognostischen Betrachtung" (so
BayVGH, Urteil vom 30. November 1999 20 B 99.1068 BayVBl 2000, 176 ) und in
Ansehung des Vorrangs der Verwertung auch zur Entscheidung, welches dieser
Verwertungsverfahren stattfinden kann und soll. § 4 Abs. 1
Nr. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG lässt sich
zusätzlich entnehmen, dass sowohl eine stoffliche wie auch eine energetische
Verwertung in Betracht kommen und hier wieder die umweltverträglichere
Verwertungsart Vorrang haben soll (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2
KrW-/AbfG). In Fällen einer negativen Prognose steht die Verwertungsoption
dem Abfallerzeuger nicht offen und fällt bei ihm Abfall zur Beseitigung an. Dem
dualen Abfallbegriff kann nicht entnommen werden, dass zur Vermeidung der
Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG auf die bloße Möglichkeit
einer späteren Verwertung abzustellen ist (so zutreffend OVG Münster, Beschluss
vom 5. August 1999 20 B 2007/98 NVwZ 1999, 1246 ). Eine Verwertungsmöglichkeit,
die sich erst einem späteren Abfallbesitzer eröffnet und ggf. von ihm auch
genutzt wird, erlaubt aus diesem Grunde noch nicht den Rückschluss, dass beim
Abfallerzeuger zuvor kein Abfall zur Beseitigung angefallen ist.
Was den in der Filiale S. befüllten Restabfallsack angeht,
steht fest, dass sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin der darin enthaltenen
Sachen, die den Abfallgruppen Q 1, 5 und 14 zuzuordnen sind, entledigen wollte.
Nach der Verkehrsanschauung, die für das Vorliegen eines Entledigungswillens
maßgeblich ist (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG),
konnte es für die Gegenstände, die in dem Restabfallsack gesammelt wurden, in
der Verkaufsfiliale keinen neuen Verwendungszweck geben (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG). Spätestens mit dem
Befüllen des Restabfallsacks war demnach Abfall angefallen.
Es handelt sich bei dem Restabfallsack auch um Abfall zur
Beseitigung. Richtig ist zwar, dass dem Abfallerzeuger nicht bereits bei Anfall
des Abfalls also sobald ein Entledigungswille vorhanden ist die Entscheidung
über eine spätere Verwertung abverlangt werden darf. Der Vorrang der Verwertung
gebietet es, den dualen Abfallbegriff so zu verstehen, dass dem Abfallerzeuger
eine Frist zur Überlegung verbleibt, welchen Entsorgungsweg er wählt, um seiner
abfallwirtschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden (vgl. BayVGH, Urteil vom
30. November 1999 20 B 99.1068 BayVBl 2000, 176 , wonach die Verwertungspflicht
bei Anfall des Abfalls "zumindest noch nicht fällig" sei). Diese
Frist endet aber spätestens dann, wenn wie hier nach außen erkennbar feststeht,
dass eine Abfallfraktion aus der Betriebstätte verbracht wird. Ist zu diesem
Zeitpunkt für die Abfallfraktion ein konkreter Verwertungsweg nicht
sichergestellt, ist sie vielmehr mangels Marktgängigkeit unverkäuflich, und
müsste für deren Abnahme der bisherige Besitzer im Gegenteil regelmäßig sogar
ein Entgelt bezahlen, dann ist der Abfall im Zeitpunkt seiner Bereitstellung
zur Verbringung kein Wirtschaftsgut und fällt bei diesem Abfallbesitzer Abfall
zur Beseitigung an (vgl. zur alten Rechtslage BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 BVerwG 7 C 11.92 BVerwGE 92, 353 ). Etwas anderes gilt
auch dann nicht, wenn die Abfallfraktion von einem privaten
Entsorgungsunternehmen im "Huckepackverfahren" zusammen mit
verwertbaren Abfallfraktionen im Einzelfall quasi "kostenlos"
übernommen wird. Seiner abfallwirtschaftlichen Verantwortung, die ihm mit dem
Vorrang der Verwertung auferlegt ist, genügt ein Abfallerzeuger nicht, wenn von
ihm eine derartige Abfallfraktion einem privaten Entsorgungsunternehmen
überlassen wird, ohne dass ein bestimmter Weg zu ihrer Verwertung
sichergestellt ist. Im vorliegenden Fall ist zwar unstreitig, dass die Abfälle
der Filiale S. von der Entsorgungsfirma in M. nochmals nachsortiert worden
sind. Was dabei mit dem Inhalt des Restabfallsacks konkret geschehen ist, hat
die Klägerin aber im gesamten Prozess nicht vorgetragen, geschweige denn, dass
sie bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Bereitstellung des Abfalls zur
Verbringung die Gewährleistung einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden
Verwertung nachgewiesen hätte. Sie hat in diesem Zusammenhang lediglich geltend
gemacht, ihre Rechtsvorgängerin sei berechtigt gewesen, den Restabfallsack
einem Verwertungsverfahren zuzuführen. Wie zuvor erläutert wurde, reicht das
nicht aus, um sich die Verwertungsoption zu erhalten und der
Überlassungspflicht gegenüber dem Beklagten zu entziehen.
dd) Soweit sich die Revision auf das Urteil des 3. Senats
des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2000 BVerwG 3 C
4.00 (Buchholz 451.221 § 13 KrW-/AbfG Nr. 6) beruft und meint, der Inhalt
des Restabfallsacks hätte noch mit verwertbaren Abfällen vermischt werden
können, so dass ein Abfallgemisch mit hinreichend hohem Anteil
verwertungsfähigen Abfalls erzeugt worden wäre, führt dies nicht zu einer
abweichenden Beurteilung. Auf die spezielle rechtliche Problematik der
nachträglichen Abfallvermischung kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Zwar
ist dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz wie es der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 30. November 1999 20 B 99.1068
(a.a.O., S. 178) ausgedrückt hat nicht der Grundsatz zu entnehmen: "Einmal
Abfälle zur Beseitigung, immer Abfälle zur Beseitigung." Der bloße
Hinweis, dass bereits vorsortierte Abfallfraktionen, für die im Zeitpunkt der Verbringung
aus der Betriebstätte kein konkretes Verwertungsverfahren in Aussicht genommen
und sichergestellt ist und die damit in diesem Zeitpunkt Abfälle zur
Beseitigung sind, doch noch irgendwo, irgendwann und irgendwie verwertet werden
könnten, ist aber ungeeignet, die Entstehung der Überlassungspflicht zu
verhindern.
ee) Eine abweichende Auslegung des dualen Abfallbegriffs
gebietet unter Berücksichtigung des Vorrangs der Verwertung auch nicht das
Gemeinschaftsrecht. Die Revision legt ihre Besorgnis, Abfälle könnten unter
Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975
über Abfälle ABlEG Nr. L 194, S. 47 (RL 75/442/EWG)
einer Verwertung entzogen werden, von vornherein nicht schlüssig dar. Selbst
wenn in Einzelfällen Abfallerzeuger/-besitzer verwertbare Abfälle den
kommunalen Entsorgungsträgern überlassen, gewährleistet die Regelung des § 15
Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG immer noch, dass der Vorrang der Abfallverwertung
beachtet werden muss. Denn mit dem Übergang des Abfallbesitzes auf den kommunalen
Entsorgungsträger wechselt danach nur der Adressat des Verwertungsgebots. Dass
im Bereich der gewerblichen Siedlungsabfälle die Verwirklichung des
Verwertungsgebots ausschließlich in den Händen der Privatwirtschaft liegen
muss, ist der Abfallrahmenrichtlinie nicht zu entnehmen.
Die Abfallrahmenrichtlinie ist im Übrigen ihrerseits im
Lichte des primären Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden. Dieses
statuiert in Art. 130 r Abs. 2 EWGV bzw. Art. 174 Abs. 2 Satz 3 EG das Prinzip der Nähe. Wenn danach
Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind,
bedeutet dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom
9. Juli 1992 Rs C-2/90 NVwZ 1992, 871 ) im Bereich der Abfallwirtschaft, dass
die Beseitigung nicht verwertbarer Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in
die Nähe ihres Entstehungsortes gehört (vgl. Koch/Reese, Getrennthaltung und
Überlassung von Abfällen zur Beseitigung aus Gewerbebetrieben, 2001, S. 13). In
Art. 5 Abs. 2 der RL 75/442/EWG findet dieses umweltpolitische Ziel ebenfalls
Ausdruck. Auch verschiedene andere Zuständigkeitsregelungen im Bereich des
Abfallrechts verfolgen mit einer möglichst engen Anknüpfung an den Anfall des
Abfalls denselben Gedanken (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. April 2000 BVerwG 7 C 47.98 und vom 19. Februar 2004 BVerwG 7 C 10.03 Buchholz 451.221 § 13
KrW-/AbfG Nr. 5 S. 25 und Nr. 9 S. 40 f.). Eine Überlassungspflicht, die
gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG auch speziell bei
gewerblichen Siedlungsabfällen eine ortsnahe Entsorgung sicherstellt, steht aus
diesem Grunde in dem zuvor beschriebenen Umfang mit dem Gemeinschaftsrecht in
Einklang.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die
Vorläuferregelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 des Abfallgesetzes vom 27. August 1986
BGBl I S. 1410 (AbfG). Danach hatten die nach Landesrecht zuständigen
Körperschaften öffentlichen Rechts noch ausdrücklich die Aufgabe, "die in
ihrem Gebiet angefallenen Abfälle zu entsorgen". An dieser
verursachernahen Zuständigkeit sollte bei der Einführung der
Überlassungspflicht für Abfälle zur Beseitigung unverändert festgehalten werden
(vgl. Koch/Reese, a.a.O., S. 45 f.). In den Gesetzesmaterialien findet sich
jedenfalls kein Hinweis darauf, dass mit der Einführung der Kreislaufwirtschaft
für diejenigen Abfälle, die vom Markt weiterhin nicht als Wirtschaftsgut
aufgenommen werden, auf nationaler Ebene das bisher geltende Näheprinzip
aufgegeben werden sollte, obwohl dieses im Gemeinschaftsrecht verankert ist.
ff) Der Versuch der Revision, einen Widerspruch zwischen der
abfallrechtlichen Sachgesetzgebung und der Lenkungswirkung der kommunalen
Gebührensatzung aufzuzeigen, bleibt ohne Erfolg. Im Zusammenhang mit der
Behandlung der Gehörsrüge (oben 1. b)) ist dazu das Wesentliche bereits gesagt
worden. Da das Revisionsvorbringen auf weitere Missverständnisse hindeutet, ist
ergänzend Folgendes anzumerken:
Zumindest dann, wenn sich die Kalkulation der Mindestgebühr
wie hier an der untersten Grenze dessen bewegt, was an durchschnittlichem
Abfallaufkommen erfahrungsgemäß erwartet werden kann, fördert die
Lenkungswirkung der Gebühr lediglich die ordnungsmäßige Erfüllung der
abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG. Das
Risiko, dass es in Ausnutzung eines überschüssigen Volumens der Pflichtmülltonne
in Einzelfällen zu "Fehlwürfen" kommt, ist zwar damit nicht völlig
ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Revision ist dies aber noch kein
Indiz dafür, dass der Satzungsgeber dem Abfallerzeuger die Erfüllung der
vorrangigen Verwertungspflicht unmöglich macht oder unzumutbar erschwert.
Derartige "Fehlwürfe" beinhalten ein rechtswidriges Verhalten. Die
Gebührenerhebung für die Pflichtmülltonne kann aber nicht daran scheitern, dass
bei der Nutzung dieses Entsorgungswegs ein Rechtsverstoß der Abfallerzeuger
denkbar ist. Ein Anreiz zu diesem Verhalten ist unerwünscht; er wäre dem
Satzungsgeber nicht zuzurechnen. Es ist missverständlich, in diesem
Zusammenhang überhaupt von einer Lenkungswirkung der Gebühr zu sprechen. Eine
"tatsächliche Lenkungswirkung" (vgl. BVerfGE 93, 121 ) in diese
Richtung wäre wenn sie denn im Einzelfall beobachtet würde kein Beleg für die
begründete Besorgnis, die Mindestgebühr könne zu einer Aushöhlung des Vorrangs
der Verwertung führen.
Danach kann gemessen an den Maßstäben der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfGE 98, 106 ) keine Rede davon sein,
dass die Mindestgebühr im Zusammenwirken mit der Einführung einer
Pflichtmülltonne der Gesamtkonzeption oder zumindest konkreten Einzelregelungen
der Sachmaterie in einer Weise zuwiderläuft, die das rechtsstaatliche Gebot
widerspruchsfreier Normsetzung verletzt. Zwar hat der 7. Senat des
Bundesverwaltungsgerichts in seinen Urteilen vom 17. Februar 2005 (insoweit nur
abgedruckt in Buchholz 451.221 § 12 KrW-/AbfG Nr. 2 S. 10)
bei § 7 Satz 4 GewAbfV sich "zu einer
gesetzeskonformen Reduktion des Anwendungsbereichs" dieser Vorschrift
bekannt, wonach der gesetzliche Vorrang der Abfallverwertung es nicht zulasse,
"eine ausnahmslose Behälternutzungspflicht für Erzeuger von gewerblichen
Siedlungsabfällen" einzuführen, und die der genannten "Vorschrift
zugrunde liegende Vermutung, dass bei jedem Erzeuger und Besitzer gewerblicher
Siedlungsabfälle auch Abfälle zur Beseitigung anfallen, als widerleglich"
angesehen werden müsse. Auch unter Hinweis auf diese Rechtsprechung könnte die
Revision eine unzulässige Lenkungswirkung der Mindestgebühr jedoch nicht mit
Erfolg geltend machen. Zum einen lässt das hier einschlägige Satzungsrecht in
der Auslegung, die es durch das Berufungsgericht erfahren hat nämlich als bloß
deklaratorische Übernahme der Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes (UA S. 8) , ebenfalls Raum für die Auslegung, dass die
Behälternutzungspflicht und die daran anknüpfende Befugnis zur Gebührenerhebung
unter dem Vorbehalt steht, dass der Gewerbebetrieb den Gegenbeweis führen kann,
bei ihm falle kein Abfall zur Beseitigung an. Zum anderen wäre nach den
tatsächlichen Feststellungen, die im angefochtenen Urteil zum Inhalt des
Restabfallsacks getroffen worden sind (UA S. 2, 13), bei dem von der Klägerin
verfolgten Abfallkonzept dieser Gegenbeweis gerade nicht zu führen.
c) Die Revision rügt als Verstoß gegen materielles
Bundesrecht, dass der Gebührentatbestand zu unbestimmt sei. Aus den Grundsätzen
der Leistungsproportionalität und der speziellen Entgeltlichkeit folge, dass
nur derjenige abgabenpflichtig sein dürfe, der kommunale Leistungen tatsächlich
in Anspruch nehme. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn durch die
Erhebung einer Mindestgebühr Abfallbesitzer, die keinen Nutzen von der
kommunalen Abfallentsorgung hätten, den Abfallbesitzern gleich gestellt würden,
die tatsächlich die angebotenen Mindestentleerungen in Anspruch nähmen.
Zugleich führe dies zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip. Diese Rügen
halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa) Mit ihrer Kritik an der
Bestimmtheit des Gebührentatbestandes verweist die Revision auf einige Aussagen
des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Dieser hat zum einen in seinem Beschluss
vom 5. Oktober 1999 10 S 1059/99 (NVwZ 2000, 91) die Bestimmtheit einer
abfallrechtlichen Ordnungsverfügung mit dem Hinweis beanstandet, eine aus sich
selbst heraus verständliche Regelung liege "bezüglich der Abgrenzung von
Abfall zur Verwertung von Abfall zur Beseitigung nach §§ 3 ff. KrW-/AbfG in
geradezu exemplarischer Weise nicht vor". Weder der Gesetz- noch der
Verordnungsgeber hätten es vermocht, "ohne weitere Konkretisierung
befolgbare normative Vorgaben zur Abgrenzung beider Abfallarten zu geben".
In einem Normenkontrollverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim zum
anderen unter Hinweis auf Literaturstimmen die Meinung vertreten, der
Gebührentatbestand einer Abfallgebühr sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn
der Adressat der Satzung in die Lage versetzt werde, "ohne spezielle
Rechtskenntnisse oder sonstige Kenntnisse aus der Satzung heraus zu erkennen,
aus welchem Grund und unter welchen Voraussetzungen er abgabenpflichtig
ist" (so Urteil vom 22. März 2001 2 S 2043/00 NVwZ 2002, 211 ). Hieran
anknüpfend meint die Revision, die Vorinstanz habe verkannt, dass von der
Bestimmbarkeit der Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1
Satz 2 KrW-/AbfG im abfallrechtlichen Vollzug nicht auf die
gebührenrechtliche Bestimmtheit eines hieran anknüpfenden Gebührentatbestandes
geschlossen werden dürfe. Die damit angesprochenen Auslegungsprobleme sind zwar
nicht zu leugnen, erweisen sich aber wie zuvor dargelegt wurde (oben 2. b) cc))
durchaus als lösbar. Damit sind auch die von der Revision gegen die Bestimmtheit
der Gebührenregelung erhobenen Einwände verfehlt.
Das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende
Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu
fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht
auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfGE 87, 234 ; 93, 213 ; 110, 370 ). Die
Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung des Abgabenrechts nimmt ihr jedoch nicht
die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 21, 209 ; 78, 205
; 79, 106 ). Angesichts der Vielgestaltigkeit und Kompliziertheit der zu
erfassenden Vorgänge gelingt es nicht immer, einen Abgabetatbestand mit genau
erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Es ist dann Sache der Verwaltungsbehörden
und der Verwaltungsgerichte, die bei der Gesetzesauslegung verbleibenden
Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln zu beantworten.
Von dieser Rechtsprechung weicht die zuvor zitierte Aussage
des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim in seinem Urteil vom 22. März 2001
(a.a.O.) zumindest dann in unzulässiger Weise ab, wenn man sie wie es die
Revision tut ohne ihren Kontext wiedergibt, in dem auf die einschlägigen
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwiesen wird. Dass die
Beantwortung der Auslegungsfragen, die im Zusammenhang mit der Entsorgung
gewerblicher Siedlungsabfälle auftreten, "spezielle Rechtskenntnisse"
voraussetzt, schließt jedenfalls nicht aus, dass nicht zuletzt durch die sich
entwickelnde Spruchpraxis der Verwaltungsgerichte für die Abgabenschuldner eine
ausreichende Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit geschaffen und eine
willkürliche Handhabung der behördlichen Gebührenerhebung verhindert wird. Mehr
fordert das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot nicht. Hiervon weichen die
diesbezüglichen Aussagen des Berufungsurteils (UA S. 8) zumindest im Ergebnis
nicht ab.
bb) Der von der Revision ins Feld geführte Grundsatz der
Leistungsproportionalität, der verschiedentlich auch als Prinzip der speziellen
Entgeltlichkeit bezeichnet wird, ist eine landesrechtliche Konkretisierung des
allgemeinen Gleichheitssatzes. Aus Art. 3 Abs. 1 GG
ergibt sich jedoch kein striktes Gebot der gebührenrechtlichen
Leistungsproportionalität. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet auch insoweit
eine Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung nur, wenn sie sachlich nicht
gerechtfertigt ist. Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem
unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistung genau Rechnung
getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit
eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt
bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2000 BVerwG
11 C 7.00 BVerwGE 112, 297 ; Urteil vom 25. Juli 2001 BVerwG
6 C 8.00 BVerwGE 115, 32 ; Beschluss vom 30. April 2003 BVerwG 6 C 3.02
Buchholz 451.9 Art. 234 EU-Vertrag Nr. 1 S. 14). Für die
Erhebung einer Mindestgebühr, die nach der für das Revisionsgericht bindenden
Auslegung des Landesrechts anfällt, ohne dass es auf die tatsächliche
Inanspruchnahme des zur Verfügung gestellten Abfallgefäßes ankommt (UA S. 10),
würde der Hinweis auf die fehlende Leistungsproportionalität demnach nur dann
durchschlagen, wenn sich für die darin liegende Ungleichbehandlung der
Gebührenschuldner sachliche Gründe nicht anführen ließen. Das behauptet die
Revision zu Unrecht.
Klarstellend ist anzumerken, dass der Hinweis auf eine
angeblich fehlende Leistungsproportionalität nicht etwa dazu angetan ist, die
Einordnung der Abgabe als Gebühr in Frage zu stellen. Das Grundgesetz gibt einen
Gebührenbegriff nicht vor. Auch im Übrigen gibt es keinen bundesrechtlichen
Gebührenbegriff (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 14. April 1967 BVerwG 4 C 179.65 BVerwGE 26, 305 und vom 21. April
2004 BVerwG 6 C 20.03 BVerwGE 120, 311 ). Herkömmlich werden öffentlich-rechtliche
Geldleistungen als Gebühr bezeichnet, die aus Anlass einer individuell
zurechenbaren öffentlichen Leistung dem Gebührenschuldner auferlegt werden und
dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder
teilweise zu decken. Die Anknüpfung an die Gegenleistungsfunktion genügt für
die begriffliche Abgrenzung zur Steuer, so dass es nicht darauf ankommt, ob die
Bemessung der Gebühr sachlich gerechtfertigt oder möglicherweise überhöht ist
(vgl. BVerfGE 108, 1 ; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2003 BVerwG 6 C 13.03
Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 160 S. 43). Es ist somit kein zwingendes
Merkmal der Gebühr, dass der Gebührenschuldner aus der öffentlichen Leistung
tatsächlich einen als proportional einzustufenden Nutzen zieht. Als
individualisierender Zurechnungsgrund reicht etwa die Veranlassung der
öffentlichen Leistung aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 BVerwG 11 C 6.99 Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr.
36 S. 18, Urteil vom 25. August 1999 BVerwG 8 C 12.98
BVerwGE 109, 272 ). Eine derartige Veranlassung ist bei einer Pflichtmülltonne,
die dem Gebührenschuldner zur Verfügung gestellt worden ist, auch dann
anzunehmen, wenn er diese wie die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin unter
Verstoß gegen die abfallrechtliche Behälternutzungspflicht nicht nutzt.
Die Revision verweist auf den Beitrag von Cosack (AbfallR
2004, 286 ), der das Berufungsurteil mit dem Hinweis kritisiert, die Abgrenzung
zur Beitragspflicht und damit die landesrechtlich vorgegebene Systematik des
Kommunalabgabenrechts werde in Frage gestellt. Richtig daran ist, dass der
Beitrag herkömmlicherweise dadurch gekennzeichnet wird, dass mit ihm im
Unterschied zur Gebühr nicht die tatsächliche Inanspruchnahme einer staatlichen
Leistung ausgeglichen werden soll, sondern der Vorteil, der durch die
Möglichkeit der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung vermittelt wird (vgl.
BVerwG, Urteil vom 21. April 2004 BVerwG 6 C 20.03
BVerwGE 120, 311 ). Beiträge werden also für die potentielle Inanspruchnahme
einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben (vgl. BVerfGE 110, 370 ).
Auch der Beitragsbegriff ist aber bundesrechtlich nicht vorgegeben (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 1977 BVerwG 7 B 161.75
Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 9; Beschluss vom 16. April 2003 BVerwG 9 B 82.02 juris Rn. 11). Sowohl Gebühren wie auch
Beiträge gehören als so genannte Vorzugslasten zu den "klassischen"
Abgabearten und sind jeweils schon durch ihre Ausgleichsfunktion innerhalb der
grundgesetzlichen Finanzverfassung gleichermaßen sachlich gerechtfertigt (vgl.
BVerfGE 93, 319 ; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2003 BVerwG
6 C 13.03 a.a.O., S. 43). Wenn das Landesrecht nach der für das
Revisionsgericht bindenden Auslegung durch die Vorinstanz eine Abgabe zulässt,
die als Mischform zwischen Gebühr und Beitrag verstanden werden mag, dürfte dem
Bundesrecht aus diesem Grunde kein "Reinheitsgebot" oder
"Typenzwang" zu entnehmen sein. Letztlich mag das aber dahinstehen;
denn allein der Umstand, dass Abgabenschuldner wie hier die Klägerin die
Inanspruchnahme einer ihnen angebotenen öffentlichen Leistung rechtswidrig
verweigern, ist zumindest aus bundesrechtlicher Sicht ungeeignet, einer als
Benutzungsgebühr konzipierten Abgabe ihren Gebührencharakter zu nehmen.
Abweichendes ergibt auch nicht die Unterscheidung zwischen
Grundgebühr und Mindestgebühr, die in dem Urteil des 8. Senats vom 1. August
1986 BVerwG 8 C 112.84 (Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 59) für eine Wassergebühr vorgenommen worden ist. Wenn
die Revision unter Hinweis auf das Normenkontrollurteil des
Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 26. Juli 2001 2 S 3175/98 (NVwZ 2002, 220
) und dort zitierte Literatur meint, die tatsächliche Inanspruchnahme einer
öffentlichen Einrichtung sei Entstehungsvoraussetzung für eine Mindestgebühr,
kann diese Aussage nicht dem Bundesrecht entnommen werden. Die Vorinstanz
wendet ohne dies ausdrücklich zu betonen Landesrecht an, wenn sie sich zu den
Voraussetzungen "für die Annahme eines gebührenrechtlich relevanten
Benutzungsverhältnisses" (UA S. 11) dahingehend äußert, es komme insoweit
nicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme an, weil dieses "subjektive
Element" durch die objektiv-rechtliche Pflicht zur Inanspruchnahme der
Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten "ersetzt" werde (UA S.
12).
cc) Die Revision erblickt einen Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz darin, dass die Mindestgebühr diejenigen Abfallbesitzer,
die keinen Nutzen von der kommunalen Abfallentsorgung hätten, den
Abfallbesitzern gleich stelle, die tatsächlich die angebotenen
Mindestentleerungen in Anspruch nähmen. Vor dem Hintergrund, dass für
Gewerbebetriebe die Inanspruchnahme der kommunalen Entsorgungsleistung
freiwillig bleiben müsse, sei die undifferenzierte Erhebung einer Mindestgebühr
willkürlich. Die Vorinstanz hat dem im Wesentlichen entgegengehalten,
"dass andernfalls diejenigen Gebührenschuldner, die ihrer gesetzlich
normierten Überlassungspflicht Folge leisten, schlechter gestellt würden als
diejenigen, die ihrer Überlassungspflicht rechtswidrig nicht nachkommen"
(UA S. 12). Das ist nicht zu beanstanden.
Der Gleichheitsgrundsatz gestattet es dem
Gebührengesetzgeber nicht, ungleiche Sachverhalte in einer Gebührenklasse
gleichmachend zusammenzufassen. Allerdings ist er bei der Bestimmung der
Merkmale, nach denen Sachverhalte als im Wesentlichen gleich anzusehen sind,
innerhalb der Grenzen der Sachgerechtigkeit frei. Seine Gestaltungsfreiheit
endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die unterlassene
Differenzierung nicht mehr erkennbar ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18.
April 2000 BVerwG 11 B 20.00 Buchholz 401.8
Verwaltungsgebühren Nr. 38 S. 20). Der Nachteil, der dem Gebührenschuldner
entsteht, wenn er unter Verstoß gegen den Anschluss- und Benutzungszwang einen
ihm zur Verfügung gestellten Abfallbehälter nicht nutzt, steht mit den legitim
verfolgten Zwecken der Gebührenerhebung in Einklang. Mit der undifferenzierten
Gebührenerhebung soll hinsichtlich des gewerblichen Siedlungsabfalls ein Anreiz
erzeugt werden, der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nachzukommen. Diese
Lenkungswirkung, die im Einklang mit den Zielen des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes steht (oben 2. b) ff)), würde vereitelt, wenn ein Verhalten des
Abfallerzeugers, mit dem er die Überlassungspflicht rechtswidrig umgeht, mit
einer Gebührenbefreiung oder auch nur mit einer Gebührenermäßigung belohnt
würde.
Es kommt hinzu, dass bei einer Müllabfuhrgebühr das
unterschiedliche Nutzerverhalten, das bis hin zur Nichtnutzung reichen kann, es
immer erschwert, ein unter dem Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit optimales
Gebührenmodell zu entwickeln. Da auch derjenige, der den ihm zur Verfügung
gestellten Abfallbehälter nicht füllt, immerhin die Vorhalteleistung der
Müllabfuhr ganzjährig uneingeschränkt in Anspruch nimmt, und der regelmäßige
Abholdienst den Wert dieser Leistung bestimmt, weil er garantiert, dass der
Abfallerzeuger/-besitzer sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls
entledigen kann, ist eine Sonderregelung, die zu einer Gebührenermäßigung
führt, wenn und solange die Nutzungsintensität im Einzelfall atypisch gering
ausfällt, vom Gleichheitsgrundsatz nicht geboten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.
November 2001 BVerwG 9 B 50.01 Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 95 S. 15). Für die Müllabfuhrgebühr ist damit ohnehin
ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu billigen, der allenfalls einen sehr lockeren
Bezug zu der tatsächlichen Nutzung der Abfallgefäße aufweist. Zumindest bei
einer Mindestgebühr, die sich bei der Entsorgung gewerblicher Siedlungsabfälle
am Abfallvolumen eines Kleinsthaushaltes orientiert (oben 1. a)), ist eine
weitere Differenzierung des Gebührenmaßstabs im Interesse der anzustrebenden
Belastungsgleichheit nicht zwingend zu fordern. Hier wird die Sachgerechtigkeit
der einheitlichen Gebühr schon durch ihren Bagatellcharakter gewährleistet.
dd) Die Revision hält die Erhebung von Benutzungsgebühren
ohne tatsächliche Inanspruchnahme der Einrichtung wegen Verletzung des
Äquivalenzprinzips für bundesrechtswidrig. Letzteres besagt als Ausdruck des
rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass eine Gebührenbemessung
nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen
Gebührenzwecken stehen darf (vgl. BVerfGE 108, 1 ; BVerwG, Urteil vom 19. Januar
2000 BVerwG 11 C 5.99 NVwZ-RR 2000, 533 ; Beschluss
vom 30. April 2003 BVerwG 6 C 3.02 a.a.O., S. 5, 10).
Mit der streitigen Gebühr wird vorrangig eine Kostendeckung angestrebt, wobei
der Beklagte schon allein die Vorhaltekosten unwidersprochen mit mindestens 88
DM beziffert hat. Zumindest die Vorhalteleistung, die u.a. die Zuweisung des
Abfallgefäßes und das Anfahren der Filiale S. mit dem Müllfahrzeug umfasst, hat
die Rechtsvorgängerin der Klägerin in Anspruch genommen, obwohl sie den
Restabfallsack anderweitig entsorgt hat. Die Gebühr von 114 DM ist von dem
genannten Betrag nicht so weit entfernt, dass bereits von einem groben
Missverhältnis zu dem Gebührenzweck der Kostendeckung die Rede sein könnte. Die
Gebühr ist auch mit Blick auf den Wert der angebotenen Entsorgungsleistung
maßvoll angesetzt. Wenn dem Gebührenschuldner wie hier der Klägerin aus der
behördlichen Tätigkeit kein konkret bezifferbarer Wert zufließt, indiziert dies
allein noch nicht, dass die Gebühr zum Vorteil der Leistung völlig außer
Verhältnis steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 BVerwG 8 C 12.98 a.a.O., S. 275).
3. Für den Fall, dass der Senat die Erhebung einer
Mindestgebühr nach nationalem Recht für unbedenklich erachtet, hält die
Revision eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art.
234 EG für angezeigt. Das ist nicht zutreffend. Die von der Revision
schriftsätzlich formulierte Vorlagefrage stellt sich im vorliegenden
Revisionsverfahren nicht. Die Klägerin kann den von ihr behaupteten
Sachverhalt, dass nämlich die nationalen Rechtsvorschriften in der Auslegung,
die sie durch die Vorinstanz erfahren haben, die Abfallerzeuger/-besitzer durch
"ökonomische Anreizmechanismen" dazu veranlassen, Abfälle zur
Verwertung unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b) RL 75/442/EWG einer Verwertung
zu entziehen, nicht auf entsprechende Tatsachenfeststellungen des
Berufungsgerichts stützen, und das Revisionsgericht ist nicht zur eigenen
Tatsachenerhebung berufen. Der von der Revision gerügte Sachverhalt ist von ihr
zudem nicht schlüssig dargelegt worden (oben 2. b) ee)).